Unter Leuten
von Juli Zeh
Wer nur einen flüchtigen Blick auf das Dorf in Brandenburg wirft, ist bezaubert von den altertümlichen Namen der Nachbargemeinden, von den schrulligen Originalen, die den Ort nach der Wende prägen, von der unberührten Natur mit den seltenen Vogelarten. Doch hinter den Fassaden der kleinen Häuser brechen alte Streitigkeiten wieder auf. Und obwohl niemand etwas Böses will, geschieht Schreckliches.
Mit „Unterleuten“ hat Juli Zeh einen großen Gesellschaftsroman über die wichtigen Fragen unserer Zeit geschrieben, der sich hochspannend wie ein Thriller liest. Gibt es im 21. Jahrhundert noch eine Moral jenseits des Eigeninteresses? Woran glauben wir? Und wie kommt es, dass immer alle nur das Beste wollen, und am Ende trotzdem Schreckliches passiert?

Meine Meinung:
„Unter Leuten“ umfasst im Prinzip alle Romane von Juli Zeh. Was ihr Werk so besonders macht, ist die wunderbare Sprache. Das unterscheidet sie so fulminant von den meisten modernen Autoren, die ihre Sprachschluderei offensichtlich als “cool” und “zeitgemäß ” eingestuft wissen wollen. Ein besonderes Talent ist ihre Fähigkeit sich in die handelnden Personen hineinzuleben, beinahe hinein zu kriechen. Jede Person wird so beschrieben, wie sie sie offensichtlich selbst sieht. Keine Person wird diffamiert. Jeder und Jede haben ihren psychischen Hintergrund, ihr soziales Umfeld, aus dem heraus sie agieren. Die freie Wahl des Lesers, der Leserin, bestimmte Figuren sympathisch oder unsympathisch zu empfinden wird nicht durch die Autorin beeinflusst.
Natürlich gibt es auch einen gehörigen Wermutstropfen. Juli Zeh neigt dazu der Regierung, dem Staat der Bürokratie die Schuld am Ungemach der Romanfiguren zu geben. Geradezu kafkaesk ist es, wie sich die Menschen bemühen ihre Lage zu verbessern, doch die Bürokratie, das Ministerium oder sonst eine Staatsmacht verhindern es immer wieder, so dass die Menschen nicht aus dem Hamsterrad ausbrechen können. Tun sie es doch, so endet es im Chaos.
Das trübt ein wenig den Genuss, den man beim Lesen hat. So ließ es mir z. B. keine Ruhe und ich informierte mich über Maßnahmen zur ASP (Afrikanische Schweinepest). Die Einzäunung von erntereifen Mais-oder Getreidefeldern fand NICHT statt. Der Mais für die Biogasanlage von Hofbesitzer Lars hätte immer geerntet werden können, da durch die Umwandlung des Mais in Biogas keinerlei Gefahren zur Ansteckung durch ASP ausgingen. Angedacht war mal, dass die Ernte nicht weiterverwendet werden kann als Nahrung, Tierfutter und Einstreu, da so Bakterien übertragen werden könnten. Wie gesagt, eingezäunt wurde nirgends, stand nur auf dem Papier.
Und warum sag ich das so genau? Weil sich bei Juli Zeh der Hofbesitzer Lars erhängt, da er seine Biogasanlage wegen der fehlenden Ernte nicht weiter betreiben kann. Daraufhin, das ist der Plotpoint, radikalisiert sich die Hauptperson, driftet nach rechts ab, haut dem Landwirtschaftsminister eine Ohrfeige und kommt in den Knast. Aha. Hätte der suiziede Nachbar seine Biogasanlage weiterbetreiben können, wäre der Plot hinfällig und das Handlungsende hätte anders ausgesehen.
Das, sehr geehrte Frau Zeh, ist Mist. Wenn ich das googeln konnte, konnten Sie es auch. Aber einfach auf der angeblich überbordernden Bürokratie einen Plot aufbauen, die so gar nicht existierte, ist einfach Mist!
Mir hat es jedenfalls das Lesevergnügen stark gemindert. Wenn der oder die Autor/ Autorin sich geriert, als hätte er/sie Ahnung und dann so schlampt, dann fühle ich mich als Leser/in düpiert und nicht ernstgenommen.